Sonntag, 18. Oktober 1998 Riobamba - Guayaquil

Nach der Tagwache um 5.00 Uhr verladen wir das restliche Gepäck in den Bus. Die Yanahurco-Sachen hat Veronica gestern abend bereits nach Quito mitgenommen. Dann um 6.00 Uhr fahren wir vom Hotel weg zum Bahnhof.

Und hier steht er nun - der berühmte Riobamba-Express. Wir nehmen zuerst im Erstklass-Abteil platz. Als die Viehwagen vorne angekoppelt werden beginnt der Touristensturm auf die Dachplätze. Conny und Bruno aus der B-Gruppe sowie Lothar sind ganz mutig und gehen bereits in Riobamba aufs Dach. Sie sind alle recht gut gegen Kälte geschützt, denn um diese Tageszeit ist es noch empfindlich kalt.

Pünktlich um 7.00 Uhr setzt sich der Zug in Bewegung. Unterwegs hält er einige Male an. Immer mehr von unserer Gruppe wagen den Gang aufs Dach. Der beachtenswerteste Halt ist der um 9.00 Uhr. Zu dieser Zeit nehmen die Lokomotive, der Lok- und der Zugführer ihr Frühstück zu sich. Die holprige Fahrt führt nun durch immer tiefer gelegene Landstriche. Die Landschaft wechselt praktisch mit jedem Höhenmeter ihr Erscheinungsbild. Dann kommt sie - der Höhepunkt der Zugsfahrt -die Teufelsnase. Hier überwindet der Zug durch Zick-Zack fahren einen gewaltigen Höhenunterschied. Ok, ok, in der Schweiz haben wir das auch, aber bei uns ist dieses Problem mit Kehrtunnels eleganter und sicher weniger spektakulär gelöst.

Hier erweist sich der Dachplatz als kleiner Nachteil. Von der rechten Zugsseite aus kann man "zum Fenster hinauslehnend" die zwei unter einem liegenden Geleise beobachten. Die auf dem Dach bemerken nur das Vor- und Zurückfahren, die Aussicht nach unten ist ihnen versperrt. Dafür können sie sich während der Fahrt die Schuhe putzen lassen, den funktionierenden Getränkeservice und den Kondukteur beim Verrichten ihrer Arbeit beobachten.

In Chan Chan ist für uns Endstation. Da der Zug immer noch nicht nach Guayaquil fährt steigen wir hier wieder in unseren Bus, der das Gepäck transportiert hat, um. Unsere Busfahrt nach Guayaquil führt zuerst über unbefestigte Strassen wieder etwa 500 Höhenmeter aufwärts um dann auf durch starke Regenfälle in Mitleidenschaft gezogenen Strassen durch die Wolkendecke ins Delta des Guayaflusses zu gelangen.

Hier sieht es richtig trostlos aus. José erklärt uns, dass letztes Jahr hier alles unter Wasser gestanden habe und die Leute zuerst ihr Ueberleben sichern wollen bevor sie an das Reparieren der Häuser geschweige denn das Reparieren der Strassen denken wollen. Wobei mir scheint, dass das älteste Gewerbe der Welt hier am Fusse der Anden sehr gut floriert. Alle Waren aus dem Hochland die per Lastwagen an die Küste müssen, werden auf dieser Strasse transportiert. Und so reiht sich in den ersten Dörfern am Fusse der Anden Restaurant an Autowerkstatt an Laden an Puff.

Für die nach unseren Verhältnissen kurze Strecke benötigen wir etwa 3 1/2 Stunden. José macht noch Sprüche über das Hotel. Es habe Fliegengitter anstatt Fenster, doch als wir ankommen, erweist sich unser Hotel als das Guayaquil-Grand, ein 5-Sterne-Kasten für den wir absolut underdressed sind. Nicole und ich gehen sofort aufs Zimmer - wir wollen noch Myrthas Geburtsgeschenk einpacken. Wir haben ja mit Lilo und Lothar abgemacht, dass heute niemand ein Wort über den Geburtstag verliert, aber als beim Mittagslunch das Gespräch auf das Datum des heutigen Tages kommt, muss sogar Kurt als Ehemann feststellen, dass er den Geburtstag seiner Frau vergessen hat.

Um 20.00 Uhr treffen wir uns alle in der Lobby und bringen die Cocktailvouchers an der Bar unter die Leute. Als wir dann endlich zum Abendessen in den Coffeeshop des Hotels gehen, Myrtha ihr Geschenk sieht und wir Happy Birthday singen ist die Ueberraschung nochmals riesengross. Das Nachtessen in diesem Coffeeshop war aber mit Abstand das schlechteste, das wir auf der ganzen Reise bekommen haben. Um 22.00 Uhr gehen wir alle von der Reise ziemlich geschafft ins Bett.

Bilder und Text © meinereisen.com letzte Aenderung: 11.06.2000